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BSS01 [VEB Halbleiterwerk Frankfurt an der Oder]

BSS01
BSS01

Das BSS01 oder auch Bildschirmspiel 01 ist ein Neuzugang bei meinen Pong-Konsolen. An diesem Gerät ist aber nichts „normal“, wie es den Anschein haben könnte, wobei es auch unter dem Namen TV-Spiel oder auch RFT TV-Spiel (RFT = Rundfunk- und Fernmeldetechnik) bekannt sein könnte.
Die Story zu diesem Gerät ist etwas abenteuerlich, auch wenn der andere oder anderer Teil davon nicht zu 100 % bestätigt werden können. Auf jeden Fall ist der Gerät ein absolute Besonderheit trotz der einfachen Technik, die verwendet wurde.
In den 1970er entwickelten sich in den USA und Europa Spielkonsolen zu einem wichtigen Freizeitvergnügen. Im Osten hingegen gab es diese Geräte praktisch nicht, was vor allem dem Rückstand der Mikroelektronik geschuldet war. Damit die Bevölkerung an die digitale Technologie herangeführt werden konnte, wurde 1977 vom Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik beschlossen, ein „Bildschirmspielgerät“ zu produzieren.

Das BSS01 wurde zwischen 1980 und 1984 vom VEB (volkseigener Betrieb) Halbleiterwerk Frankfurt an der Oder in der damaligen DDR hergestellt, das zum Kombinat Mikroelektronik Erfurt gehörte. Dieser Betrieb und seine Mitarbeiter waren darauf spezialisiert, integrierte Schaltkreise für die DDR-Industrie und den RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) herzustellen.


Die Entscheidung zur Produktion der einzigen Spielekonsole der DDR wurde vermutlich 1976/1977 getroffen – verantwortlich dafür war die damalige Regierung, vertreten durch Karl Nendel – seines Zeichens Staatssekretär. Bei Beginn des Projekts wurde überlegt ein Gerät zu entwerfen, das TTL-Chips verwendet, die auch produziert werden konnten, was aber aufgrund der benötigten 40–50 Chips pro Gerät schnell verworfen wurde. Auch ein Nachbau der vorliegenden Chips (AY-3-8500-7) von GI (General Instruments – USA) wurde verworfen. Daher wurde entschieden, die benötigten Chips aus dem Westen zu importieren.

Die Beschaffung der Chips ist eine eigene Geschichte, um die sich zahlreiche Legenden gebildet haben. So lautet eine, dass die Chips aus den USA nach Deutschland (West) gebracht wurden, um diese dann in Betonblöcken, die in die DDR importiert wurden, vor dem Grenzschutz und den westlichen Geheimdiensten zu verstecken.

Als das Gerät endlich zwischen 1980 und 1984 in einer angeblichen Auflage von ca. 1.000 Stück produziert wurde, war es für Privathaushalte viel zu teuer – 550 Ostmark waren ein halber Monatslohn.
Daher war es eher in Jugendtreffs und öffentlichen Einrichtungen zu finden. Schätzungen gehen davon aus, dass von den unterschiedlichen Varianten heute noch ca. 500 Stück existieren. Diese Varianten sind durch den damals herrschenden Materialmangel entstanden und es wurde verbaut, was eben gerade vorhanden war – hier ein paar Beispiele der möglichen Kombinationen:

  • schwarz mit farbigen Knöpfen und schwarzen Controller
  • schwarz mit farbigen Knöpfen und weißen Controller
  • weiß mit farbigen Knöpfen und schwarzen Controller
  • weiß mit farbigen Knöpfen und weißen Controller

Da es einige Schätzungen gibt bzgl. der noch existierenden Konsolen, ist davon auszugehen, dass die fast komplett weißen Konsolen die seltensten sein dürften (weißes Gehäuse, weiße Controller).
Alle Konsolen wurden mit einer „Seriennummer“ (sogenannte Einlagennummer) ausgestattet, die unter dem rechten Controller eingeklebt wurde. Leider hat meine weiße Konsole diese Nummer „verloren“.
Angeblich sollen Geräte mit gleichen Nummern aufgetaucht sein, was evtl. daher stammen könnte, dass diese bei der Produktion „verloren“ gingen und die nächste Nummer dann einfach ausgelassen wurden.
(Beispiel: zweimal Nummer 523 – dann gibt es keine Nummer 524…..)
Dazu gibt es ein Gerücht, dass nicht 1.000 Chips importiert wurden, sondern 3.000. Was mit diesen Chips passierte, ist unbekannt.
Das BSS01 wurde eingestellt, um mehr Radiowecker herzustellen, auch wenn es (wieder) Gerüchte gibt, dass an dem Nachfolger BSS02 gearbeitet wurde.

Die Technik des BSS01 war sonst ganz einfach, wobei über zwei Steuer-Pads (ausgerüstet mit Drehreglern) „Schläger“ auf dem Bildschirm auf- und abwärts bewegt werden konnten, mit denen der Ball getroffen werden musste. Der Einwurf des Balls konnte automatisch oder manuell erfolgen. Nach jeweils 15 Punkten war das Spiel beendet.
Bis auf das Spiel Pelota konnte nichts allein gespielt werden – die Konsole selbst stand nicht als Gegner zur Verfügung.
Außer dem aus dem Westen importierten Schaltkreis gab es nicht viel Technik im Inneren zu finden – Netzteil, HF-Modulator und Lautsprecher waren der Rest.

Das Interessante an dieser Konsole ist vor allem seine Herkunft und die Geschichten dazu, sonst wäre sie ebenso vergessen wie viele der anderen Pong-Konsolen, von denen es zahlreiche unterschiedliche Varianten gab.

8 Gedanken zu „BSS01 [VEB Halbleiterwerk Frankfurt an der Oder]“

  1. Das Halbleiterwerk Frankfurt/Oder war nicht in erster Linie Produzent von Radioweckern sondern von integrierten Schaltkreisen für die DDR – Industrie und den RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe). Radiowecker, Bildschirmspiele oder ähnliches wurden im Rahmen der von der Partei geforderten Konsumgüterproduktion hergestellt, die die meisten Industriebetriebe zu leisten hatten.

    siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Bildschirmspiel_01

    VG Ingo.

  2. Hallo Ingo,
    vielen Dank für den Hinweis. Auch wenn man lange recherchiert, können sich Fehler einschleichen, auch wenn dieser vermeidbar gewesen wäre. Ich habe die Korrktur in den Text „eingebaut“.
    Hattest Du damals auch ein BSS01 oder gar den Arcade-Automaten?
    Viele Grüße
    Jungsi

  3. Hallo Jungsi, nein als Student wäre mir das BSS01 zu teuer gewesen. Ich hatte das Glück, daß meine Schwester mir von einem Ungarnurlaub einen AY3-8500 und die passende Applikationsschaltung (als Thermokopie) mitgebracht hat. Im Internat beim Studium habe dann darum eine eigene Pong-Konsole aufgebaut. Die Paddles waren Srifendosen mit eingebauten Potentiometern. Entsprechend einer Veröffentlichung habe ich das Gerät auf 4 Spieler erweitert, indem sowohl die Paddles-Eingänge als auch die Spielerausgänge von Zeile zu Zeile alternierend gemultiplext wurden. Auch eine (ausgeweidete) Wasserpistole mit Fototransistor und Mikrotaster zum Auslösen habe ich dazugebaut, so daß auch das „Schießen“ auf das Kästchen auf dem Bildschirm funktionierte (sehr kontrastreich eingestellter Röhrenfernseher). Dann haben wir in der Studentenbude bends beim Bierchen gedaddelt.
    Diese Konsole habe ich noch und sie funktioniert heute noch.

    Viele Grüße Ingo.

  4. Hallo Sammlerkollegen,
    die BSS01 ist etwas ganz besonderes, vor allem wegen ihrer Geschichte. Ich beschäftige mich schon seit fast vier Jahren mit ihr. Und man entdeckt immer wieder neue Geschichten um diese Legändere Konsole
    Thomas

  5. Hallo Thomas,
    freut mich sehr, dass Du Dich hier zu Wort meldest. Ich habe Deine YouTube-Videos zur BSS01 ausführlich studiert und fand sie sehr informativ.
    Viele Grüße
    Jungsi

  6. Als jemand, der an Technologie und Geschichte interessiert ist, finde ich es spannend, mehr über das BSS01 [VEB Halbleiterwerk Frankfurt an der Oder] zu erfahren. Dieses Werk spielte eine wichtige Rolle in der DDR-Zeit bei der Produktion von Halbleiterbauelementen und trug zur Entwicklung der Elektronikindustrie in der Region bei.

  7. Ich fand das Thema sehr spannend bei der Recherche. Ich würde mich freuen, wenn sich ein Mitarbeiter finden würde, der damals bei der Produktion mit dabei war.

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