Im Jahr 2013 – damals habe ich mit dem Blog begonnen – hatte ich bereits einen Artikel zum Thema Atari Lynx verfasst. Nach mittlerweile neun Jahren haben sich meine Ansprüche bzgl. einem Artikel doch etwas verändert und daher gibt es nun einen neuen Beitrag zu diesem Thema. Außerdem habe ich vor einiger Zeit einen sehr gut erhaltenen Atari Lynx 1 erworben, womit sich nun beide Geräte-Varianten in meinem Besitz finden 🙂
Geschichte
Die Entwicklung des Atari Lynx ist unmittelbar mit drei Namen verknüpft, die für viele bestimmt keine Unbekannten sind. Dave Morse, RJ Mical und David Needle waren vorher alle an der Entwicklung des Commodore Amiga beteiligt. Alle drei trafen sich bei der Softwareschmiede Epyx (Summer Games, Winter Games usw.) wieder und begannen 1986 mit der Entwicklung eines Geräts mit dem Namen „Handy“. 1987 wurde das Geld bei Epyx langsam knapp (unter anderem wegen der Raubkopierer) und es wurde ein Partner gesucht, wobei auch Nintendo und Sega besucht wurden, die aber das Angebot ablehnten. Am Schluss landete das Gerät dann bei Atari. Dazu gibt
es wilde Geschichten über Zahlungen seitens Ataris die ausblieben weil vereinbarte Ziele nicht eingehalten wurden. Atari sollte die Produktion und Vermarktung übernehmen und Epyx für die Software verantwortlich sein. Warum das fertige Gerät fast zwei Jahre in der Schublade von Jack Tramiel blieb, bleibt wohl für immer sein Geheimnis.
Endlich startete der Verkauf des Lynx am 01.09.1989 (zwei Monate vorher war der Game Boy erschienen) – manchmal auch Lynx Classic genannt. In Europa kam das Gerät 1990 auf den Markt und war doppelt so teuer wie das Produkt von Nintendo. Trotz seiner technischen Möglichkeiten, die der Zeit voraus waren, stellte sich nicht der erhoffte Erfolg ein. Einer der Gründe war die mangelnde Verfügbarkeit des Systems zum Weihnachtsgeschäft 1989 trotz großer Nachfrage.
Hier ein paar Details dazu:
tragbar, in Farbe, für Links- und Rechtshänder, netzwerkfähig, schnelle Multiplikations- und Divisionshardware, Mehrkanalschaltkreise zur Sounderzeugung, große (kopiergeschützte) Cartridges, Bitmaps mit Hardware-Kollisionserkennung, komprimierte Sprites verschieben und skalieren. Auch die Entwicklungsumgebung für die Programmierer und die Entwicklerkonsolen waren perfekt vorbereitet und es machte Spaß damit zu entwickeln – sehr zum Leidwesen von Atari lief die Software aber nur auf Commodore Amiga Rechnern 🙂
1991 wurde trotz allem ein beachtliche Anzahl an Geräten verkauft und der Lynx hatte einen guten Ruf für großartige Spielhallenumsetzungen. Trotzdem fehlten immer noch die Spielehits – hier war Nintendo klar im Vorteil mit den vielen Lizenzen vom NES. Im Mai 1991 erschien dann auch noch der Sega Game Gear und der Lynx war nicht mehr der einzige Handheld mit Farbdisplay auf dem Markt.
Trotzdem wurde die Hardware nochmal überarbeitet – der Lynx II erschien. Das Gerät wurde kleiner, es hatte gegossene Handgriffe, einen Bildschirmschutz und einen Schalter zur Abschaltung der Hintergrundbeleuchtung. Dazu kamen noch gesunkene Produktionskosten und die verlängerte Batterielaufzeit. Auch 1992 lief es noch ganz gut für den Lynx, wobei sich aber auf Dauer die mangelnde Unterstützung durch andere Publisher und die Übermacht das Game Boy bemerkbar machten. 1993 gab Atari den Support des Handheld fast komplett zugunsten des Atari Jaguar auf und stoppte viele angekündigte Spiele vorzeitig.
Es wurden weltweit ca. 3 Millionen Geräte verkauft, aber die Szene lebt weiter. Dazu zählen z.B. Telegames, Songbird und auch einzelne Entwickler, die immer wieder neue Spiele für den Lynx veröffentlichen. Einen positiven Einfluss hatten bestimmt auch die FlashCard und der LCD-Bildschirm aus Deutschland und das Lynx Gamedrive von RetroHQ aus England. 2019 gab es sogar eine „Atari Lynx 30th Birthday Programming Competition“ mit zahlreichen Teilnehmern.
Technik
Das Herzstück des Atari Lynx sind die beiden Spezial-Chips MIKEY und SUZY. Der erste der beiden beinhaltet einen angepassten 65SC02 (ähnlich dem Chip im C64), aber mit 4 MHz getaktet und ist für den Sound zuständig. Suzy ist ein 16-Bit Chip mit 16 MHz und ermöglicht Grafik, Blitter und Sprites. Dabei konnte aus 4096 möglichen Farben gewählt werden, wobei 16 gleichzeitig darstellbar sind. Als Speicher standen 64 kB DRAM mit 120ns zur Verfügung. Der Bildschirm ist ein hintergrundbeleuchteter 3,5“ Flüssigkristall-Bildschirm mit 160×102 Pixel. Die 6 AA-Batterien hielten den Lynx 4-5 Stunden und den Lynx II 5-6 Stunden am Laufen. Mit den ComLynx-Kabeln ließen sich bis zu acht Geräte miteinander verbinden.
Sondermodelle
Lynx II for Him and Her (nicht veröffentlicht)
In diesem Fall bin ich fast froh, dass diese Geräte niemals veröffentlicht wurden. Anscheinend waren die Zielgruppe Pärchen – wobei das Gerät für „Sie“ in pastellrosa und für „Ihn“ in hellblau gehalten war. Technisch sind sie identisch mit dem Modell PAG-0400.
Marlboro Abenteuer Team
Diese Sonderedition – komplette in rot – wurde vom Tabakkonzern Philip Morris in Deutschland auf den Markt gebracht. Auf der Front war der Schriftzug „Marlboro Abenteuer Team“ in weißer Schrift angebracht. Mit dabei war das Spiel Marlboro Go – ein Motorrad-Spiel mit keinerlei Bezug zwischen Videospielen und Zigaretten. Das Spiel ist sehr wiederholend und langweilig – die Platine war handgemacht und individuell nummeriert. Ab und zu tauchen Cartridges mit der Bezeichnung „Marlboro Man“ auf, was ein Fake ist. Das Gerät dürfte selten sein, da es nur wenige hundert Konsolen davon gab. Es wird vermutet, dass mit dem Kauf von Zigaretten Punkte erworben wurden und diese dann gegen das Gerät eingetauscht werden konnten.
P.I.T.S. – Portables Informations- und Trainings-System – für die deutsche Führerscheinprüfung & Verkehrsregeln. Die Arbeit startete Ende 1992 im Auftrag des DVPI (Deutsches Verkehrspädagogisches Institut) und die Namen dahinter waren kein Unbekannten in der Lynx-Szene: Lars Baumstark & Bastian Schick
Das in einem transparenten Koffer ausgelieferte P.I.T.S enthält alles, was zum erfolgreichen Bestehen der Führerscheinprüfung benötigte wurde – ein Atari Lynx II (wird mit „Theoriecomputer“ betitelt), die entsprechende P.I.T.S Cartridge, ein kleiner Ordner mit begleitender Dokumentation für Fahrschüler und Lehrer, sowie eines der begehrten originalen Lynx Netzteile. Wie viele Stück dieser Koffer produziert und an Fahrschulen ausgegeben worden sind, lässt sich heutzutage nicht nachvollziehen. Angesichts der Tatsache, dass diese Systeme aber selten irgendwo auftauchen, dürften es nur ein paar Dutzend Exemplare gewesen sein.
Zubehör-Original
ComLynx Cable (Modell PAG-3200)
Dieses Kabel verbindet mehrere Lynxe für Multiplayer-Spiele. Es war im ursprünglichen Lynx-Paket des Systems enthalten.
ComLynx (Modell PAG-3200)
Auto Cigarette Lighter Adaptor (Modell PAG-3300)
Dieser Standard-Zigarettenadapter versorgt zwei Lynx gleichzeitig mit Strom. Multiplayer im Auto!
Battery Pack (Modell PAG-3325)
Diese Packung enthält sechs D-Zellen-Batterien und einen Gürtelclip. Sechs Batterien sollten eine Betriebsdauer von bis zu 20 Stunden haben.
Battery Pack (Modell PAG-3325)
Carrying Case (Modell PAG-3350)
Dies ist eine tolle Tragetasche, in der Lynx, Netzteil, ComLynx-Kabel und viele Lieblingsspiele bequem verstaut werden können. Es hat einen praktischen Tragegriff und einen Schultergurt. Perfekt für lange Reisen, wenn alles mitgenommen werden soll.
Kit Case (Modell PAG-3350)
Carrying Pouch (Modell PAG-3375)
Diese Tragetasche enthält einen Lynx, 24 Spielkarten und Zubehör. Es hat eine Handschlaufe oder Gürtelschlaufe für die Mobilität
Sun Visor / Screen Guard (Modelle PAG-3400 und PAG-3425)
Dieses Zubehör kann entweder heruntergeklappt werden, um den Lynx-Bildschirm bei Nichtgebrauch zu schützen, oder hochgeklappt werden, um die Sonne beim Spielen im Freien vom Bildschirm fernzuhalten. Dieses Modell funktioniert nur mit dem Original Lynx.
Netzteil (Modell PAG-1200)
Wenn du nicht gerne Geld für Batterien ausgibst, ist dies ein ziemlich wichtiges Zubehör. Da der Lynx einen enormen Stromverbrauch für Batterien hat, solltest du das Netzteil immer dann verwenden, wenn du dich in der Nähe einer Steckdose befindest.
Zubehör modern
Lynx Flashcard (nicht mehr erhältlich)
Rewritable Multigame Cartridge Atari Lynx
Lynx Gamedrive
AgaCart (nicht mehr erhältlich(
LYNX LCD Replacement Screen und TV-Ausgang
BennVenn ElCheapoSD-Lynx
Spiele
Für den Lynx sind offiziell 75 Spiele erschienen, von denen manche äußerst selten sind. Einige Cartridges gibt es unterschiedliche Varianten – flat, riged oder curved. Die ersten komplett glatten (flat) Cartridges wurden durch die Variante mit den zwei waagrechten Balken auf der Rückseite (riged – geriffelt) und den acht „Löchern“ auf der Vorderseite ersetzt. Diese Form war aber nicht gut zum „Stapeln“ geeignet und wurde daher durch die endgültige Version mit der gebogenen Kante (curved) ersetzt. Hier ein paar der Top-Spiele:
– Klax
– Joust
– Rampart
– California Games
– Blue Lightning
– Checkerd Flag‘
– S.T.U.N. Runner
– Chips Challenge
– Lemmings
– Batman
Da ich einige Spiele besitze, die noch originalverpackt sind, habe ich im AtariAge-Forum nachgefragt ob sich von der Art der Verpackung auf die Form der Cartridge schließen lässt. Die umfangreiche Nachricht des Nutzers „LynxHandyCaster“ habe ich übersetzt:
Blue Lightning (PA2020):
großer Karton: flach oder geriffelt
kleiner Karton mit grauen vertikalen Band: flach, geriffelt oder gebogen
kleiner Karton ohne graues vertikales Band: gebogen
Electrocop (PA2021):
großer Karton: flach oder geriffelt
kleiner Karton mit grauen vertikalen Band: flach, geriffelt oder gebogen
kleiner Karton ohne graues vertikales Band: gebogen
Gates of Zendocon (PA2023):
großer Karton: flach oder geriffelt
kleiner Karton mit grauen vertikalen Band: flach, geriffelt oder gebogen
kleiner Karton ohne graues vertikales Band: gebogen
Gauntlet: The Third Encounter (PA2024):
kleiner Karton mit grauen vertikalen Band: flach, geriffelt oder gebogen
kleiner Karton ohne graues vertikales Band: gebogen
California Games (PA2025):
die mit dem Lynx ausgelieferte Cartridge kann flach, geriffelt oder gebogen sein
kleiner Karton ohne graues vertikales Band: gebogen
Chips Challenge (PA2028):
kleiner Karton mit grauen vertikalen Band: flach, geriffelt oder gebogen
kleiner Karton ohne graues vertikales Band: gebogen
Manchmal ist es schwierig zu bestimmen, ob ein Blue Lightning-, Electrocop- oder Gates of Zendocon-Karton groß oder klein ist, wenn Fotos online gezeigt werden, insbesondere bei eBay und wenn keine weiteren Informationen zur Kartongröße angegeben werden in der Beschreibung. Hier ein Hinweis, wie die Größe trotzdem festgestellt werden kann: zähle einfach die Reihen von Lynx X im vertikalen grauen Streifen rechts im Karton: 10 und ein halbes X bedeutet, dass es sich um einen großen Karton handelt, 7 und ein halbes X bedeutet, dass es sich um einen kleinen Karton handelt.
Homebrew
Seit einigen Jahren ist die Hombrew-Szene auch beim Lynx wieder aktiv. Es erscheinen immer wieder tolle, neue Spiele. Außerdem gab es 2019 sogar einen Software-Wettbewerb mit einigen vielversprechenden Teilnehmern.
Shops für Spiele
Songbird
Yastuna Games
Atari Gamer
polyplay