
Tiny Dungeons
Autor: Denis Grachev
Jahr: 2022
Rechner: Sinclair Spectrum 128K
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Hintergrund und Entstehung
Tiny Dungeons erschien im Februar 2022 für den ZX Spectrum 128K und stammt aus der Feder von Denis Grachev (RetroSouls). Die Musik steuert Oleg Nikitin bei.
Veröffentlicht wurde das Spiel als Download mit „Name your own price“-Modell, inklusive der Möglichkeit, sich auch den Sourcecode zu holen. Kurz nach der Veröffentlichung gab es ein Update, das ein Kompatibilitätsproblem mit bestimmten 128K-Modellen (+2) behoben hat.
In der Szene hat sich Tiny Dungeons schnell einen Namen gemacht: Spieler loben vor allem das durchdachte Gameplay, die klare Präsentation und das stimmige Gesamtpaket – häufig begleitet von dem Wunsch nach „mehr Leveln“.
Story und Atmosphäre
Die Rahmenhandlung ist klassisch, aber effektiv:
Ein böser Nekromant hält das Land Twilight in Angst und Schrecken. Drei tapfere Helden machen sich auf den Weg in uralte Verliese, um seinen dunklen Plänen ein Ende zu setzen.
Die Story bleibt im Hintergrund und liefert vor allem den Anlass, sich durch die verschiedenen Dungeon-Ebenen zu kämpfen. Atmosphäre entsteht hauptsächlich durch:
- enge Gänge und Räume, die echte Verlies-Stimmung transportieren
- kleine, aber sehr charakteristische Monster-Sprites
- einen stimmungsvollen 128K-Soundtrack, der zwischen düster und treibend pendelt
Auch wenn alles „tiny“ gehalten ist, schafft das Spiel eine dichte, fast klaustrophobische Atmosphäre, die perfekt zur Thematik passt.

Spielprinzip: Rundenbasierter Dungeon-Crawl im Mini-Format
Tiny Dungeons wird als Roguelite beschrieben, spielt sich aber wie eine Mischung aus rundenbasiertem Taktikspiel und klassischem Dungeon-Crawler.
Der Ablauf ist schnell erklärt:
- Jeder Schritt ist ein Zug – bewegt sich der Held, reagieren alle Gegner.
- Bleibt man stehen, passiert ebenfalls nichts: Es gibt keine Echtzeit-Hektik, alles läuft Zug für Zug.
- Manche Gegner sind langsamer unterwegs und agieren nur jeden zweiten Zug, andere bewegen sich genauso schnell wie die Helden oder setzen Fernangriffe ein.
Dadurch entstehen Situationen, in denen man Bewegungsmuster ausnutzen kann:
Man lockt Gegner in schmale Gänge, zieht sich genau im richtigen Moment zurück oder nutzt Teleporter gezielt, um sich Vorteile zu verschaffen.
Die Dungeons sind von Hand entworfen und nicht prozedural generiert. Der Schwierigkeitsgrad steigt von Ebene zu Ebene an; besonders der finale Kampf gegen den Nekromanten verlangt ein gutes Verständnis der Mechaniken und der Gegnerbewegungen.
Neben Feinden gibt es:
- Schlüssel, um Türen und neue Bereiche zu öffnen
- Teleport-Felder, die in andere Teile der Karte führen
- Tränke und Power-Ups, die Lebens- oder Magiepunkte auffüllen
Dieses Zusammenspiel erzeugt kleine Puzzle-Momente:
Nehme ich den riskanten Weg zum Trank? Öffne ich zuerst diese Tür oder sichere ich lieber den hinteren Gang ab? Tiny Dungeons belohnt vorausschauendes Spielen deutlich.
Drei Helden, drei Spielstile
Ein zentrales Element von Tiny Dungeons ist die Dreiergruppe an Helden. Zu Beginn ist man allein unterwegs, doch nach und nach stoßen zwei weitere Figuren dazu.
Jeder Held bringt eine eigene Ausrichtung mit:
- ein stärkerer Nahkämpfer, der im direkten Schlagabtausch glänzt
- ein Magier, der von zusätzlichen MP und geschicktem Einsatz von Zaubern lebt
- ein widerstandsfähiger Tank, der mehr einstecken kann
Zwischen den drei Helden kann man jederzeit umschalten. Das wird schnell zu einem der wichtigsten taktischen Werkzeuge:
- angeschlagene Helden kann man kurz „parken“
- bestimmte Power-Ups gibt man gezielt der passenden Figur
- man passt die aktive Figur an die aktuelle Situation an – etwa Fernkämpfer vs. Nahkämpfer
Dieses System sorgt dafür, dass man die Gruppe als Einheit betrachtet und nicht nur die eine sichtbare Figur.

Steuerung und Hardware
Tiny Dungeons unterstützt unterschiedliche Eingabemethoden und bleibt angenehm flexibel:
- Joystick: Kempston sowie Sinclair 1/2 werden unterstützt
- Tastatur: klassische OPQA-Steuerung (OPQAM / SPACE)
- Z, X, C zum Durchschalten der Helden
- mit der Feuertaste wird der „Magic Mode“ aktiviert, um Zauber einzusetzen
Das Spiel benötigt einen ZX Spectrum 128K. Bestimmte 128K-Varianten (+2) hatten anfangs Ladeprobleme, die später mit einer überarbeiteten Version behoben wurden.
Das rundenbasierte System sorgt dafür, dass die Steuerung nie in Stress ausartet: Man hat jederzeit genug Zeit, den nächsten Zug zu planen – ideal für Spieler, die gerne in Ruhe überlegen, statt Knöpfe zu malträtieren.
Präsentation: Klare Pixelgrafik und starker 128K-Sound
Optisch zeigt Tiny Dungeons sehr deutlich, wie viel man aus dem Spectrum herausholen kann, wenn man die Einschränkungen geschickt nutzt:
- saubere, kleine Sprites mit klar erkennbaren Figuren und Monstern
- kräftige Farben ohne störenden Colour Clash
- übersichtliche Dungeons, bei denen stets ein sinnvoller Kartenausschnitt sichtbar bleibt
Gerade die Übersicht ist ein Pluspunkt: Man sieht genug vom Level, um Gegnerbewegungen zu verfolgen und sich seine Route zurechtzulegen.
Die Musik von Oleg Nikitin nutzt den 128K-Sound sehr stimmungsvoll – mal treibend, mal leicht düster. Das passt hervorragend zum Setting und trägt sehr viel zur Atmosphäre bei, ohne auf Dauer zu nerven.

Schwierigkeitsgrad und Langzeitmotivation
Tiny Dungeons ist knackig, aber fair.
Die ersten Ebenen sind gut machbar, sobald man sich an das Zug-für-Zug-System gewöhnt hat. Später kommen:
- dichtere Gegnergruppen
- stärkere Gegner mit mehr Schaden
- Situationen, in denen Positionierung über Sieg oder Niederlage entscheidet
Der Endkampf gegen den Nekromanten ist ein gutes Beispiel dafür: Wer sich hier unüberlegt bewegt und das Gegnerverhalten nicht verinnerlicht hat, wird sehr schnell bestraft.
Der vielleicht größte Kritikpunkt ist der überschaubare Umfang:
- es gibt nur sechs Dungeons
- wer das System einmal verstanden hat, arbeitet sich relativ zügig durch
- man hat sofort das Gefühl, dass hier noch Platz für eine zweite Kampagne oder eine Expansion wäre
Trotzdem ist die Motivation hoch, die eigenen Strategien zu verfeinern:
Mit welchem Helden starte ich? Wo riskiere ich einen aggressiven Vorstoß, wo spiele ich defensiv? Gerade wer Spaß an rundenbasierten Taktikspielen hat, kann sich hier gut festbeißen.
Vergleich und Einordnung
Im Genre der Roguelites und Dungeon-Crawler für den ZX Spectrum nimmt Tiny Dungeons eine interessante Stellung ein. Es ist kompakter als manch großes RPG-Projekt, konzentriert sich dafür aber auf einen sehr klaren Kern:
- fokussiertes, rundenbasiertes Kampfsystem
- kein Ballast durch Menüs, Städte oder lange Dialoge
- alles dreht sich um Bewegung, Positionierung und Timing
Wer andere Rogue-inspirierte Titel auf 8-Bit-Systemen kennt – etwa Spiele wie Vradark’s Sphere, die eine ähnliche Richtung einschlagen – wird viele Parallelen erkennen, Tiny Dungeons aber als deutlich zugänglicher und „aufgeräumter“ erleben.
Durch die Mischung aus sauberer Präsentation, taktischer Tiefe und einem klar definierten Umfang wirkt das Spiel wie eine sehr gut gemachte „Mini-Edition“ eines großen Dungeon-Crawlers – bewusst kompakt, aber mit Anspruch.
Persönliches Fazit
Tiny Dungeons ist genau das, was der Untertitel verspricht: ein kleines, aber sehr fein abgestimmtes Roguelite-Dungeon-Abenteuer für den ZX Spectrum 128K.
Stärken:
- hervorragend funktionierendes, rundenbasiertes Kampfsystem
- cleveres Drei-Helden-Konzept mit deutlich unterscheidbaren Rollen
- klare, farbige Pixelgrafik ohne Chaos auf dem Bildschirm
- stimmungsvoller 128K-Soundtrack
- handgebaute Level mit sinnvoller Steigerung des Schwierigkeitsgrads
Schwächen:
- nur sechs Dungeons – der Wunsch nach mehr Content ist praktisch garantiert
- optisch recht einheitliche Umgebungen, da alles im Verlies-Setting bleibt
Wer RetroSouls mag oder generell Spaß an taktischen Dungeon-Crawlern hat, sollte Tiny Dungeons unbedingt ausprobieren. Es ist eines dieser Spiele, bei denen man „nur kurz reinschauen“ will – und dann doch noch ein, zwei Dungeons dranhängt, weil der nächste Zug ja schon im Kopf geplant ist.